STOCKHOLM

September 2014
Blick auf Stockholm

Mögt ihr auch Astrid Lindgrens Bullerbü, Köttbullar mit Preiselbeeren und das entspannte Lebensgefühl im Norden, wo man nicht von der Sonne verwöhnt ist und das Leben genießt, wenn sie gerade mal scheint. Ich will schon lange einen Trip nach Schweden machen. Also buchen wir vier Tage Stockholm. Flug ab Frankfurt, Hotel und Frühstück für etwa 350 Euro pro Person. Die Transfers zu und von den Flughäfen mit dem öffentlichen Nahverkehr kostet noch einmal etwa 100 Euro pro Nase.
Die Reise lohnt sich, auch wenn Midsommar vorbei ist und sich die schwedische Hauptstadt Stockholm jetzt im September schon auf die ruhige, touristenarme Jahreszeit einstellt. Der Anbieter für Outdoortouren in der Stadt hat schon Feierabend für dieses Jahr gemacht. So müssen wir die Fahrt durch die Schären mit dem Linienboot machen statt mit dem Kajak, wie wir das eigentlich wollten. Trotzdem ist dieser September eine gute Zeit für die Stockholmtour. Das Wetter ist noch warm und ruhig, die Menge der Touristen ist überschaubar und wir erleben viel in diesen paar Tagen.

Die Ölmühle von Waldemarsudde  in Stockholm

Die Ölmühle von Waldemarsudde

Wir kommen im IKEA-Land an

Wir starten an einem Freitag in den grauen Frankfurter Wolkenhimmel. Je weiter wir nach Norden kommen, desto sonniger wird es. Wir landen in Stockholm-Arlanda, einem im Vergleich zu Frankfurt gemütlich und klein wirkenden Flughafen, der mit viel hellem Holz und Sitzecken wirkt wie eine IKEA-Möbel-Ausstellung. Wir fühlen uns gleich daheim. 😉
Mit dem Bus fahren wir noch eine knappe Stunde bis zum Hauptbahnhof und dann mit der S-Bahn Pendeltåg eine halbe Stunde zu unserem Hotel im Stadtteil Bromma. Im einfachen, aber zufrieden stellenden Hotel Scandic am Brommaplan laden wir nur schnell unser Gepäck ab, dann laufen wir los.

Denn ab jetzt werden wir nur noch laufen. Das ist unsere Art, in wenigen Tagen möglichst viel von einer Stadt zu erleben. Wir erwandern sie und lassen ihre Atmosphäre und ihr Lebensgefühl auf uns wirken. Und jetzt laufen wir Richtung Süd-Westen zum Schloss Drottningholm.

Nach der Siedlung sind wir plötzlich mitten in der Natur, im wilden Reservat Judarskogens. Mitten in der Großstadt! Wir laufen durch einen Wald, entdecken Tümpel und Pilze, und kommen in eine moorige Landschaft, über der sich dramatisch dunkle Wolken türmen. Das hat was von Bullerbü. Wenn jetzt noch ein Elch auftauchen würde, wäre das Schwedenklischee an diesem Nachmittag perfekt.

Wir halten uns abseits der Hauptstraße und kommen vorbei an einer Siedlung aus zig Holzhäuschen zwischen hohen Bäumen, Nockebyhov. Es gibt die typisch schwedisch-roten, aber auch welche in lila, gelb, blau, grün, alle abgesetzt mit weißen Rahmen. Ansonsten wirken sie alle haargenau gleich und ziemlich alt.

Besuch im Garten des Königs

Wir überqueren einen Arm des Mälarsees und sehen die Menschen, die sich am Feierabend am Wasser erholen und trotz des nicht mehr ganz so sommerlichen Wetters auf den Felsen liegen und die Sonnenstrahlen genießen, die immer mal wieder zwischen der Wolken durch scheinen. Manche Leute schwimmen sogar. Boote dümpeln im Wasser. Schon der Anblick der Szene entspannt uns. Ganz in der Nähe, am Rand des Naturreservats ist ein Campingplatz. Dort würde sicher ein Urlaub mit Wohnwagen und Mischlingshündin Jessie Spaß machen.

Schloss Drottningholm, der Wohnsitz der schwedischen Königsfamilie

Schloss Drottningholm, der Wohnsitz der schwedischen Königsfamilie

Der Schlossgartenn von Drottningholm in Stockholm

Der Schlossgartenn von Drottningholm

Als wir beim historischen Königinnenschloss Drottningholm ankommen, genießen wir die Abendsonne im Schlosspark. Drottningholm ist der Haupwohnsitz des schwedschen Königspaares Karl Gustav und Silvia. Wir schlendern durch den weitläufigen Garten, der in barockem Stil angelegt ist und in einen englischen Garten übergeht. König und Königin sehen wir allerdings nicht. Als es dämmert, genießen wir noch eine Weile den Anblick des beleuchteten Drottningholm, das sich in einem Arm des Mälarsees spiegelt und laufen dann zurück zum Brommaplan.

Zum Frühstück gibt es ABBA

Wir grinsen uns an, als wir am nächsten Morgen in den Frühstücksraum kommen: Da läuft doch tatsächlich Musik aus den 1970ern der Gruppe ABBA! Doch als an unserem Nebentisch eine vielleicht 40jährige Schwedin, die dort mit ihrer Familie sitzt, mitsingt, merken wir, dass die Schlager offenbar gar nicht als Folklore für ausländische Touristen gedacht sind. Solche sitzen zumindest an diesem Morgen nämlich kaum an den Tischen. Die Lieder gefallen den Schweden wohl einfach.

Das Frühstück ist so üppig, dass wir den Proviant für unsere Stadttour im Magen mitnehmen: Haferbrei mit Apfelmus, dicke, weiße Bohnen, gebratene Würstchen, Eier in den verschiedensten Variationen, viele Brotsorten, natürlich auch Knäckebrot, Marmeladen, Müslis, Käse, herzhafte Aufstriche, Fleisch, Fisch, Kuchen. Das Frühstück ist wirklich eine gute Grundlage für den Marsch in die Stadt. Im übrigen ist Essengehen in Stockholm ziemlich teuer. Zwar steht an jeder Ecke ein Imbissstand, aber dort gibt es eigentlich nur eines: Hot Dogs in verschiedenen Geschmacksrichtungen, aber eben immer nur Würstchen. Ein Glück, dass wir wenigstens ein paar weiche Brötchenfladen und Käse aus dem Supermarkt im Rucksack haben.

Hausboot mit Garten in Stockholm

Hausboot mit Garten

Stockholm

Die Sonne eingefangen

Alles schwimmt in Stockholm

Alles schwimmt in Stockholm

Blick in die schwedische Geschichte

DIe Straßen von StockholmAcht Kilometer sind es von unserem Hotel mitten in Bromma bis zur Altstadt auf Gamlastan. Wir genießen Sonnenglitzern auf weitläufigen Wasserarmen, kommen vorbei an einer Reihe Hausboote, mit Gärten an Bord, mit Holzstapeln auf dem Deck – wahrscheinlich für den Schwedenofen im Rumpf des Schiff es ;-). Wir besuchen das wuchtig-überwältigende Stadshuset, das Rathaus von Stockholm, und erreichen den Reichstag auf seiner eigenen kleinen Insel. Die lutherische Tyska kyrkan, die Deutsche Kirche, in der heutigen Form aus dem 17. Jahrhundert, auf Gamlastan hat ein Glockenspiel, das mehrmals am Tag ein Kirchenlied spielt.

Durch die Kopfsteinpflastergassen gehen wir weiter zum Stadtschloss der schwedischen Königsfamilie. Das ist ein massiger Bau aus dem 18. Jahrhundert. Das es gerade Mittagszeit ist, ist auf dem Schlossplatz Wachablösung. Massen von Schaulustigen haben sich versammelt. Wir erhaschen einen Blick auf Uniformen, Kanonen, Gewehre und die flatternde schwedische Flagge, hören strammen Marschschritt, Trommeln und Trompeten, machen ein paar Fotos und gehen weiter. Manche Stockholm-Reisenden empfinden die Wachablösung als Attraktion. Wir sind weniger begeistert. Und außerdem wollen wir unbedingt noch eine Bootstour durch die Schären machen und die Vasa, das Segelschiff aus dem 17. Jahrhundert, das schon bei der Jungfernfahrt im Hafenausgang sank, besichtigen.

Das Stadshuset, das Rathaus von Stockholm

Das Stadshuset, das Rathaus von Stockholm

Zwischen den Säulen des Rathauses: Blick auf die Insel Södermalm in Stockholm

Zwischen den Säulen des Rathauses: Blick auf die Insel Södermalm

Wachablösung im königlichen Stadtschloss in Stockholm

Wachablösung im königlichen Stadtschloss

Gustav Adolfs Schiff

Vasa-MuseumZum Vasamuseum (auf der Insel Djurgarden) laufen wir entlang des Strandvägen, der Strandpromenade, die so gar nicht nördlich wirkt, sondern eher an alte, mediterrane Städte erinnert mit repräsentativen Bürgerhäusern und Strandcafés, in denen man den sonnigen Tag am Wasser genießen kann.

Das Museum bietet uns schließlich einen sehr plastischen Einblick in die schwedische Geschichte. Wir können es für die ganze Familie nur empfehlen. Bei der Führung erfährt man kurzweilig einiges über die Schiffskonstruktion zur Zeit des 30jährigen Krieges und über den schwedischen König Gustav II. Adolf. Er wollte mit der Vasa eines der mächtigsten Schiffe haben, das je gebaut wurde und soll sie mit viel mehr Kanonen ausgestattet haben, als sie vertrug. Einer Windböe war sie nicht gewachsen. Sie sank, einige Dutzend Besatzungsmitglieder kamen ums Leben und der polnische König Sigismund, Cousin und Erzfeind von Gustav II. Adolf, musste das Schiff und seine Streitmacht nicht mehr fürchten. 333 Jahre später wurde der prächtige Segler wieder gehoben und ist nun in einem eigenen Museum zu besichtigen. Wir gehen durch Nachbauten einzelner Räume und können eindrucksvoll erleben, dass die Kriegsschiffe damals nicht nur Kampfmaschinen waren, sondern Paläste, die den Reichtum ihrer Erbauer repräsentieren sollten.

Die drei Masten der Vasa ragen aus dem Museum in Stockholm

Die drei Masten der Vasa ragen aus dem Museum

Bootstour durch die Schärenlandschaft

Da im September die Anbieter von Kajaktouren und Sightseeingtouren schon ihre Boote trocken gelegt haben, nutzen wir einfach das Linienboot, das viele Haltestellen auf kleinen Inseln anfährt. Wir fahren mit nachVaxholm mit dem Kastell, das Stockholm von der Seeseite her schützen sollte. Der ursprüngliche Bau stammt von einem Vorfahr von Gustav II. Adolf, dem Erbauer der Vasa, nämlich Gustav Vasa, der im 15. Jahrhundert geboren worden war.

Doch interessanter als das Ausflugsziel ist die Strecke dorthin mit dem Boot. Wir sehen allerhand unterwegs: Den alten Freizeitpark Gröna Lund, in dem auch Konzerte stattfinden, Rostige Industriebauten in wunderschöner Landschaft, kleine rote-weiße Holzhütten auf winzigen Inseln, moderne Villen mit privaten Bootshäfen. Auf der ländlichen Künstlerinsel Vaxholm geht es dann so richtig touristisch zu mit Andenkenläden und Hobbykünstlern, die ihre Werk am Straßenrand an Urlauber verkaufen möchten. Aber wir finden ein kleines uriges Garten-Café, essen hausgemachte Zimtschnecken und Früchtebrot, beobachten die Möwen und warten entspannt auf das Linienboot, das uns zurück nach Stockhholm bringt.

Das Stockholmer Stadtschloss

Das Stockholmer Stadtschloss

Linienboot für den öffentlichen Nahverkehr zwischen den Inseln von Stockholm

Linienboot für den öffentlichen Nahverkehr zwischen den Inseln von Stockholm

Typisches rotes Schwedenhäuschen im Schärengarten

Typisches rotes Schwedenhäuschen im Schärengarten

Stockholmpass

Mit dem Stockholmpass (für drei Tage beispielsweise gut 100 Euro, Stand April 2017) kann man übrigens Busse und Boote nutzen und etwa 60 Sehenswürdigkeiten der Stadt ohne Zusatzkosten besichtigen. So kommt man auch schnell in Viertel mit eleganten Einkaufsstraßen, Hochhäusern und sehr moderner Architektur, weiß und geradlinig zum Beispiel im Stadtteil Norrmalm. Auch Östermalm und Södermalm mit angesagten Einkaufs- und Ausgehvierteln im Kontrast zu den imposanten, historischen Gebäuden auf anderen Inseln der Stadt.

Manches geht allerdings nur zu Fuß wie die eindrucksvolle Strandpromenade auf Östermalm oder die Überquerung der schönen, alten, 165 Meter langen Brücke Skeppsholmsbron aus dem 19. Jahrhundert zwischen Norrmalmen und Skeppsholmen.

Stockholm

Buntes Leben

Gesellschaft und Politik

Manches geht allerdings nur zu Fuß wie die eindrucksvolle Strandpromenade auf Östermalm oder die Überquerung der schönen, alten, 165 Meter langen Brücke SkeppsholmsbroaIm kleinen Supermarkt gleich neben unserer Unterkunft in Bromma kaufen wir allabendlich ein. Es ist ein buntes Volk, das uns im Laden begegnet. Wie Multi-Kulti die schwedische Gesellschaft ist, fällt uns auch bei unseren Touren durch Stockholm auf. In den Grünanlagen, durch die wir gehen, spielen Kinder mit allen Haar- und Hautfarben zusammen. Und Mütter mit und ohne Kopftücher, mit schrägen, schwarzen Augen oder runden, blauen rufen ihnen schwedische Worte zu. Immerhin hat ein Fünftel der Schweden mindestens einen Elternteil mit Migrationshintergrund.

Die Stockholmer Gesellschaft scheint offen und entspannt.

Doch so einfach ist es dann wohl doch nicht, denn in der Nähe eines Theaters stoßen wir bei unseren Touren auf eine Freiluft-Ausstellung. In großen Fotos und kurzen Texten sind dort junge und alte Menschen, ihre Träume, Sorgen, Interessen und Lebenswege portraitiert: Sinti und Roma, für die die Ausstellung Verständnis wecken soll.
n aus dem 19. Jahrhundert zwischen Norrmalmen und Skeppsholmen.

Der Rezptionist in unserem Hotel begrüßt uns freundlich wie alte Bekannte. Am Ständer mit den Prospekten schauen wir nach Ideen für den nächsten Tag. Eine Frau, die einen Putzwagen vorbei schiebt, fragt, ob sie uns etwas erklären kann. Das gefällt uns. So locker und persönlich sind wir bisher noch kaum in einem Hotel angesprochen worden. Vielleicht hat das etwas mit der Demokratie in der Arbeitswelt zu tun, die Schweden auszeichnen soll.

Wir erleben an diesem Wochenende allerdings, dass das Bild von der durch und durch freien, demokratischen Haltung der Schweden etwas trügt. Just an dem Sonntag, an dem wir in Stockholm sind, wird nämlich der Reichstag gewählt. Und dabei bekommen die rechtspopulistischen Schwedendemokraten 13 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viel als bei der vorhergehenden Wahl. Alle anderen Parteien geben nur ab.

An einem Wahlkampfstand haben wir vorher von einer konservativen Frauenpartei ein Kochbuch bekommen. Ein anderer Wahlkämpfer reichte uns einen Putzlappen. Soviel zur sprichwörtlichen Gleichberechtigung in Schweden. So ganz durchdrungen scheint die Gesellschaft davon nicht zu sein. 😉

Interessant, was uns Stockholm in der kurzen Zeit über Schweden erzählt.

Das Reichstagsgebäude auf der Insel Helgeandsholmen in Stockholm

Das Reichstagsgebäude auf der Insel Helgeandsholmen

Letzter Blick auf die schwimmende Stadt

Nach den vier Reisetagen und etwa 60 Kilometern zu Fuß haben wir das Gefühl, Schweden kompakt kennengelernt zu haben. Stockholm auf den 14 großen Inseln hat ja auch viele Gesichter: mittelalterliche Geschichte, Monarchie, Demokratie, Hochhausschluchten, Naturschutzgebiete mitten in der Großstadt, rostige Industriebauten in wunderbarer Landschaft, rote Schwedenhäuschen, ABBA-Musik, Kunst, ein bisschen Venedig und viel Meer.

Gebaut auf Inseln zwischen den Armen von Mälar- und Ostsee, wirkt Stockholm wie eine schwimmende Stadt. Vom Flugzeug aus schauen wir am letzten Reisetag noch einmal hinunter auf die großen Inseln und die unzähligen winzigen Inselchen. Das Land franst zum Meer hin aus. Wir tauchen mit dem Flugzeug nach oben durch die Wolken, haben weiße Masse unter, Sonne über und den Wunsch in uns: Nach Stockholm müssen wir unbedingt noch einmal ganz lange.

Letzter Blick auf Stockholm, die schwimmende Stadt auf den vielen Inseln

Letzter Blick auf Stockholm, die schwimmende Stadt auf den vielen Inseln

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